Wintergetreide: Qualitätsanforderungen und Sortenwahl

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Winterweizen

Bei der Sortenwahl für Wintergetreide orientieren sich die meisten Betriebe überwiegend am Ertragspotential der Sorten und den für sie relevanten Anbaueigenschaften. Regelmäßig zeigt sich allerdings, dass eine abschlagsfreie Vermarktung der erzeugten Ware nur dann garantiert ist, wenn auch die vom Handel geforderten Qualitäten erreicht werden. Diese lassen sich nicht nur durch den Standort und eine an den Bestand angepasste Kulturführung, sondern auch durch eine gezielte Sortenwahl beeinflussen.

Allgemeine und spezielle Mindestanforderungen

Allgemein wird für abgeliefertes Getreide meist eine Kornfeuchte von < 14,5% und ein Besatz mit Fremdstoffen von < 2,0% gefordert. Bruch- und Schmachtkorn sollten zu < 5,0%, Fremdgetreide und Auswuchs zu < 2,0% enthalten sein. Bei zu feuchter oder verschmutzter Ware können Trocknungs- und gegebenenfalls auch Reinigungskosten anfallen. Darüber hinaus enthalten die Einkaufsvereinbarungen des Handels individuelle Preisabzüge und Stoßgrenzen, ab denen die Ware nicht mehr angenommen wird. Abhängig von der Getreideart und der geplanten Verwertung bestehen spezielle Anforderungen an das Hektolitergewicht, den Proteingehalt, die Fallzahl und die Sedimentation sowie den Gehalt an potentiell schädlichen Mykotoxinen. Die regelmäßigen Mindestanforderungen für eine abzugsfreie Vermarktung sind beistehend zusammengefasst. Diese und die entsprechenden Preisabzüge und Stoßgrenzen für Ware, die nicht vollständig den Anforderungen entspricht können sich zwischen einzelnen Händlern und Abnehmern unterscheiden, sofern sie nicht aus rechtlichen Vorgaben resultieren.

Qualitätsgruppen für Winterweizen

Weizen wird sowohl bei der Sortenzulassung als auch bei der Vermarktung in verschiedene Qualitätsgruppen eingeteilt, die im Zusammenhang zur geplanten Verwertung stehen: Diese sind Eliteweizen (E), Qualitätsweizen (A), Back- und Brotweizen (B) und sonstiger beziehungsweise Futterweizen (C). Allerdings definieren das Bundessortenamt und der Handel diese Qualitätsgruppen zunehmend unterschiedlich. Bei der Sortenzulassung erfolgt die Gruppenzuordnung aufgrund der Ausprägung von bestimmten indirekten Qualitätseigenschaften (Fallzahl, Sedimentationswert, Wasseraufnahme) sowie mit der verarbeitenden Industrie vereinbarten Mahl- und Backeigenschaften (Mehlausbeute, Volumenausbeute, bestimmte Teigeigenschaften). Der Proteingehalt wird bei der Sortenzulassung seit 2019 nicht mehr berücksichtigt. Bei der Vermarktung hingegen wird die Qualität der Ware nach wie vor überwiegend durch die Proteinkonzentration definiert, die aufgrund der einfachen Messbarkeit auch für den Getreideexport als wichtigstes Qualitätsmerkmal gilt. Als eine Konsequenz dieser unterschiedlichen Definition sind mittlerweile einige Sorten als A- oder B-Weizen zugelassen, die aufgrund ihres genetisch geringen Proteingehalts deutlich höhere Ansprüche an den Standort und die Kulturführung stellen, um in der entsprechenden Qualitätsgruppe vermarktet werden zu können (z.B. SU Willem, LG Optimist, WPB Newton, Campesino). Andererseits gibt es Sorten die ausgehend vom Proteingehalt, der Fallzahl und dem Sedimentationswert zwar regelmäßig den Mindestanforderungen des Handels entsprechen, aufgrund bestimmter Mahl- oder Backeigenschaften allerdings nur in eine geringere Qualitätsgruppe oder als C-Weizen eingeordnet werden (z.B. Winner). Bei diesen und allen Sorten, die aufgrund ihrer EU-Zulassung in Deutschland vertriebsfähig sind, deren Mahl- und Backeigenschaften aber (noch) nicht in entsprechenden Versuchen geprüft wurden, gilt es gegebenenfalls mit dem Handel abzusprechen, wie diese vermarktet werden können. Das gleiche gilt für den möglichen Anbau von Sortenmischungen.

Der Proteingehalt

Nordrhein-Westfalen ist traditionell ein B-Weizen-Land, in dem der Anbau von ertragsbetonten Brot- und Backsorten dominiert. Da diese durchschnittlich geringere Proteingehalte erzielen als vergleichbare Elite- oder Qualitätssorten werden im bundesweiten Vergleich in den nordrhein-westfälischen Anbaugebieten regelmäßig die geringsten Proteinkonzentrationen erreicht. Obwohl bei der diesjährigen Ernte mit durchschnittlich 11,1% (BEE) bis 11,9% (LUFA) beziehungsweise 11,7% (LSV) insgesamt höhere Proteingehalte erzielt wurden als im Vorjahr (BEE: 10,4% / LUFA: 11,2% / LSV: 11,0%) bleiben die vom Handel definierten Mindestanforderungen an den Proteingehalt ein kritisches Maß bei der Vermarktung. Da sich sowohl die rechtlichen (Düngeverordnung), als auch die ökologischen (Sommertrockenheit) und ökonomischen (Stickstoffkosten) Bedingungen für die Produktion von Weizen mit hohem Proteingehalt verschlechtert haben, gewinnt die Sortenwahl zunehmend an Bedeutung. Dies bedeutet auch, dass es abhängig vom Standort und der geplanten Kulturführung für die Produktion von B-Qualitäten erforderlich sein kann eine A-Sorte anzubauen und die Stickstoffdüngung stärker auf einen hohen Proteingehalt als auf einen maximalen Ertrag hin auszurichten.

Als besonders proteinreiche Sorten werden aktuell für die früheren und leichteren Standorte die E-Sorte KWS Emerick und für die gemäßigteren Standorte die A-Sorte Polarkap empfohlen. Darüber hinaus erzielten in den Landessortenversuchen die Sorten Lemmy und Absolut sehr hohe Proteingehalte bei allerdings geringeren Kornerträgen. KWS Donovan überzeugt mit überdurchschnittlichen Kornerträgen und Proteingehalten und damit der höchsten N-Effizienz aller aktuell geprüften Sorten. Ebenfalls leicht überdurchschnittliche Proteingehalte lassen sich mit den Sorten SU Jonte und nach den Ergebnissen der Landessortenversuche auch mit KWS Imperium erzielen. RGT Reform, Asory und LG Character erreichen regelmäßig ein durchschnittliches Proteinniveau. Obwohl als A-Sorten zugelassen zeigten sich die relativ neuen Sorten SU Willem, LG Optimist und WPB Newton als proteinschwach. Innerhalb des B-Sortiments erzielt nur SU Fiete überdurchschnittliche Proteingehalte. Informer, Chevignon und Complice erreichten in den Landessortenversuchen etwas geringere Proteinkonzentrationen. Die Sorte Winner scheint ein ähnliches Proteinniveau zu erreichen wie Chevignon. Akasha, Debian, KWS Mintum und die C-Sorte Revolver erzielen deutlich geringere Proteingehalte. Ausgesprochen proteinschwach sind die B-Sorten Campesino, RGT Kreuzer und Spectral sowie der nur zur Futternutzung angebaute KWS Keitum. Die in der Beschreibenden Sortenliste angegebenen Ausprägungsstufen (APS) für den Proteingehalt sind ausgehend von den regionalen Versuchen überwiegend als zuverlässig zu bewerten.

Das Hektolitergewicht

Das Hektolitergewicht (HLG) beeinflusst die Mahl- und Backeigenschaften zwar nur sehr geringfügig, wird im Handel aber als wichtiges Qualitätsmerkmal bewertet. Als regelmäßige Mindestanforderung wird für A-Weizen ein Hektolitergewicht von > 77 kg und für B-Weizen von > 76 kg gefordert. Ware die diese Werte unterschreitet wird mit Abzügen belegt, ohne dass dies zwingend in einer geringeren Qualitätsgruppe resultiert. Ab einem Hektolitergewicht < 74 kg wird eine Partie aber meist als C-Weizen definiert. Da das absolute Hektolitergewicht stark von Umweltfaktoren (Hitze- und/oder Trockenstress während der Kornfüllungsphase, Niederschläge vor der Ernte) beeinflusst wird, sind Preisabzüge und Qualitätsabstufungen auch bei einer optimalen Kulturführung aufgrund des zunehmenden Witterungsrisikos nicht auszuschließen. Daher wird es immer attraktiver, Sorten mit einem hohen Hektolitergewicht anzubauen.

Mehrjährig und bestätigt durch die Beschreibende Sortenliste ist deutlich festzustellen, dass fast alle in den Landessortenversuchen geprüften E- und A-Sorten ein höheres Hektolitergewicht erreichen als die durchschnittlichen B- und C-Sorten. Besonders hohe Hektolitergewichte lassen sich mit KWS Emerick, RGT Reform, Absolut und Polarkap erzielen. Bei der Sorte Asory lässt sich das in den diesjährigen Versuchen deutlich geringere Hektolitergewicht teils auf eine vorzeitige Abreife und teils auf Auswuchs zurückführen. Auswuchs trat darüber hinaus in den Sorten Lemmy, SU Willem, Akasha, Chevignon, KWS Mintum und KWS Keitum auf und führte auch bei diesen zu reduzierten Hektolitergewichten. Innerhalb des B-Sortiments erreicht nur die Sorte SU Fiete ein überdurchschnittliches Hektolitergewicht.

Die Fallzahl

Die Fallzahl ist ein Maß für die Stärkebeschaffenheit und die Backqualität einer Weizenpartie. Abhängig von der Qualitätsgruppe werden vom Handel unterschiedlich hohe Mindestanforderungen gestellt, die sich vor allem durch eine gezielte Sortenwahl erreichen lassen. Allerdings wird die absolute Fallzahl stark durch die Witterung beeinflusst. Anhaltend warme und trockene Bedingungen während der Abreife begünstigen die Ausbildung stabiler Stärkeverbindungen. Hitzestress, niedrige Temperaturen oder eine infolge von Niederschlägen verzögerte Ernte können hingegen dazu führen, dass die Keimruhe bereits frühzeitig gebrochen wird. Beginnt aufgrund feuchter Witterung das Korn zu quellen wird die Alpha-Amylase aktiviert, ein Enzym das die im Korn vorhandene Stärke in Zucker umwandelt. Bereits eine geringe Alpha-Amylasetätigkeit reduziert die Fallzahl stark, daher bereits 3% sichtbarer Auswuchs als sicherer Indikator dafür gelten, dass eine Partie nicht mehr den Mindestanforderungen für Brot- und Backweizen entspricht. Bezogen auf die Sortenwahl resultiert daraus, dass bei einem günstigen Abreife- und Ernteverlauf dem genetisch fixierten Fallzahlniveau einer Sorte die größere Bedeutung zukommt, unter kritischen Bedingungen aber vor allem eine möglichst hohe Fallzahlstabilität entscheidend ist.

Aufgrund des diesjährigen Witterungs- und Ernteverlaufs lag bei etwa 2/3 der nordrhein-westfälischen Weizenernte die Fallzahl bei < 220 s und somit unter den Mindestanforderungen für die Vermarktung als Brot- oder Backweizen. Dies widerspiegelt sich auch in den Landessortenversuchen, von denen nur drei bereits vor der mehrwöchigen Ernteunterbrechung ab dem 24. Juli geerntet werden konnten, die anderen allerdings erst zwischen dem 14. und 22. August. Aus diesen und weiteren nordwestdeutschen Versuchen lassen sich neue Erkenntnisse zur Fallzahlstabilität der Sorten ableiten, die auch in die Anbauberatung einfließen. Darüber hinaus ist eine bundesweite Auswertung der Ergebnisse geplant.

Als ausgesprochen fallzahlstark und fallzahlstabil präsentierten sich erwartungsgemäß die A-Sorten RGT Reform und KWS Imperium, darüber hinaus die qualitätsbetonte Sorte Absolut. KWS Emerick und SU Jonte sind als fallzahlstark zu bewerten, zeigten sich in den diesjährigen Versuchen allerdings als weniger fallzahlstabil als erwartet. Als etwas fallzahlschwächer aber fallzahlstabil präsentierten sich KWS Donovan und Polarkap. Asory und Lemmy litten deutlich unter Auswuchs. LG Character ist zwar relativ fallzahlschwach, scheint aber deutlich fallzahlstabiler zu sein als aktuell beschrieben. Innerhalb des B-Sortiments fallen besonders die Sorten Informer, Complice und Spectral durch ein höheres Fallzahlniveau beziehungsweise eine gute Fallzahlstabilität auf. Deutlich fallzahlschwächer und/oder weniger fallzahlstabil präsentieren sich Campesino, SU Fiete, Akasha, Chevignon (Auswuchs!), Debian, RGT Kreuzer und Winner. KWS Mintum erreichte selbst in den früh geernteten Versuchen nicht das für Brot- und Backweizen geforderte Fallzahlniveau und zeigte darüber hinaus deutlichen Auswuchs.

Der Sedimentationswert

Der Sedimentationswert ist ein sortenspezifisches Maß für die Quellfähigkeit des Glutens und korreliert sowohl mit dem Proteingehalt als auch mit dem Backvolumen. Die für Brot- und Backweizen geforderte Mindestanforderung von > 30 ml wird bei Ware mit einem der Qualitätsgruppe entsprechenden Proteingehalt meist relativ zuverlässig erreicht. Kulturmaßnahmen die den Proteingehalt erhöhen begünstigen auch die Sedimentation. Allerdings zeigt sich im Hinblick auf die Sortenwahl, dass die meisten in den Landessortenversuchen geprüften E- und A-Sorten bei gleichem Proteinniveau eine bessere Proteinqualität als B-Sorten aufweisen, die in einem überproportional höheren Sedimentationswert resultiert.

Mykotoxine, Auswuchs

Deoxynivalenol (DON) und Zearalenon (ZEA) sind als potentiell schädliche Mykotoxine sowohl bei der Konsum- als auch bei der Futterweizenvermarktung mit Grenzwerten belegt, die es zu unterschreiten gilt. Besonders bei erhöhtem Ährenfusariumrisiko wird der Anbau von resistenten Sorten (z.B. Akzent, SU Jonte, Akasha, Obiwan, Winner) empfohlen. Auswuchsfeste Winterweizensorten (z.B. RGT Reform, LG Character, KWS Donovan, SU Jonte, Absolut, Informer, Spectral, Revolver) können das witterungsabhängige Risiko für Ertrags- und Qualitätsverluste einschließlich einem möglichen sekundären Befall mit Schimmelpilzen reduzieren. Allerdings stehen meist andere Sorteneigenschaften an höherer Stelle.

Wintergerste

Futtergerste gilt ab einem Hektolitergewicht von > 62/64 kg und einer Sortierung von > 2,2 mm als ohne Abzüge vermarktungsfähig. Ware mit einem geringeren Hektolitergewicht wird mit Preisabzügen belegt. Körner mit < 2,2 mm Durchmesser werden dem Bruch- und Schmachtkorn zugerechnet und reduzieren den Marktwareanteil. Der Proteingehalt beeinflusst zwar den Futterwert, wird im Handel aber meist nicht erfasst. Besatz, Auswuchs oder Mykotoxine führen bei der Gerstenvermarktung zur Futterverwendung nur selten zu Problemen. Deutlich höhere Qualitätsanforderungen gelten für die Braugerstenproduktion.

Abgesehen von kritischen Jahren (2021) wird das vom Handel geforderte Hektolitergewicht für Futtergerste in den nordrhein-westfälischen Anbaugebieten meist relativ zuverlässig erreicht. Der Anbau von zweizeiligen Wintergerstensorten, die aufgrund ihrer Ertragsstruktur zwar meist geringere Kornerträge aber durchschnittlich höhere Hektolitergewichte erzielen als mehrzeilige Sorten, bietet sich daher nur auf Standorten mit hohem Trocken- oder Hitzestressrisiko an. Auf gemäßigteren Standorten mit einer ausreichenden Wasserversorgung besitzen mehrzeilige Wintergersten ein höheres Ertragspotential. Überdurchschnittliche Hektolitergewichte lassen sich mit der standfesten und strohstabilen Sorte SU Jule, der Hybridsorte SY Dakoota und der gegen das Gerstengelbverzwergungsvirus (GVV) toleranten Sorte Integral erreichen. Durchschnittliche Hektolitergewichte erzielen KWS Orbit, Winnie und die GVV-toleranten Sorten KWS Exquis und Sensation. Die ebenfalls für den Anbau empfohlenen Sorten SY Galileoo, Esprit und Teuto, sowie die gegen Gelbmosaikvirus Typ 2 resistenten Sorten SU Midnight, Avantasia, Julia und SU Hetti erreichen hingegen nur etwas geringere Hektolitergewichte. Avantasia, Julia und Hetti können das geringere Hektolitergewicht teilweise durch einen höheren Marktwareanteil kompensieren. Auch die Sorten Esprit, Winnie, KWS Exquis, Integral und die zweizeilige Sorte KWS Tardis zeigen eine überdurchschnittlich gute Sortierung. Unterschiede von bis zu 5% im Proteingehalt der Sorten bestehen, sind aber von geringerer Bedeutung als Standort, Witterung und Kulturführung.

Wintertriticale

Auch bei der Vermarktung von Triticale ist das Hektolitergewicht das wichtigste Qualitätsmerkmal. Die regelmäßige Mindestanforderung des Futtermittelhandels liegt bei > 68/70 kg. Abhängig vom Standort, dem Witterungsverlauf und der Kulturführung werden diese Werte nicht immer erreicht. Daraus können beim Verkauf der Ernte deutliche Abzüge resultieren. Die Sortenwahl bei Wintertriticale orientiert sich zwar überwiegend am Ertrag, der Lagerneigung und der Anfälligkeit gegenüber Krankheiten, trotzdem lässt sich auch das Hektolitergewicht durch den gezielten Anbau von Sorten mit einer guten Kornausbildung beeinflussen: Die Sorten Lombardo, Ramdam und Rivolt erzielten in den nordwestdeutschen Landessortenversuchen mehrjährig nur unterdurchschnittliche Hektolitergewichte. Lumaco ist nicht nur ertragsreich und blattgesund, sondern erreicht meist auch ein mittleres Hektolitergewicht. Überdurchschnittliche Hektolitergewichte lassen sich mit den Sorten Belcanto, Presley und Charme erzielen, die aufgrund der geringeren Ertragsleistung allerdings nicht mehr in Nordrhein-Westfalen geprüft werden.

Bei der Interpretation der in den nordwestdeutschen Landessortenversuchen zur Ernte 2023 ermittelten Hektolitergewichte ist zu beachten, dass aufgrund der niederschlagsreichen Vorerntewitterung in fast allen Versuchen sichtbarer Auswuchs festgestellt wurde. Dieser ist nicht nur selbst als Qualitätsmangel zu bewerten, sondern reduziert auch das Hektolitergewicht und die Fallzahl. Wintertriticale neigt deutlich stärker zum Auswuchs als Weizen, da die Körner nicht erst nach der Vollreife, sondern bereits aus der Teig- oder Gelbreife hinaus in die Keimung übergehen können. Die gekeimten Körner sind anfällig für Ausfall und sekundären Befall mit Schadpilzen, die zu einer weiteren Abnahme der Futterqualität führen können. Ware mit einem hohen Anteil an sichtbarem Auswuchs ist daher gegebenenfalls nicht mehr als Futtermittel, sondern nur noch zur energetischen Nutzung zu vermarkten. Da in den vergangenen Jahren nur selten Auswuchs auftrat lassen sich die aktuell geprüften Sorten hinsichtlich ihrer Auswuchsneigung nur begrenzt einschätzen. Die diesjährigen Bonituren im Feld und am Korn sowie bundesweite Daten deuten darauf hin, dass die Sorten Lumaco, Belcanto und eingeschränkt auch Lombardo insgesamt weniger auswuchsgefährdet sind, während die Sorten Ramdam, Rivolt, Trias, Brehat und Tributo ein erhöhtes Auswuchsrisiko besitzen. Dies zeigt sich überwiegend auch in den erreichten Fallzahlen.

Der Proteingehalt wird handelsseitig zwar selten erfasst und auch in der Beschreibenden Sortenliste für Triticale nicht angegeben, beeinflusst aber den Futterwert und ist daher auch bei der innerbetrieblichen Nutzung relevant. Auch wenn die absolute Proteinkonzentration größtenteils durch Kulturmaßnahmen und Umweltfaktoren bestimmt wird. lässt sich dieser durch die Sortenwahl beeinflussen. Aus den mehrjährigen Ergebnissen der nordwestdeutschen Landessortenversuche für Wintertriticale geht hervor, dass die Sorten Lombardo, Ramdam und Rivolt als relativ proteinschwach zu bewerten sind, während die ertragsschwächeren Sorten Belcanto, Presley und Charme einen höheren Proteingehalt erzielen.

Triticale ist zwar weniger anfällig für Mutterkorn als Roggen, hat allerdings vom Weizen eine Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium geerbt. Um eine möglichst risikoarme Verfütterung oder Vermarktung der Ernte zu ermöglichen bietet sich neben anderen Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes der Anbau von resistenten Sorten an. Besonders wenig anfällig für Ährenfusarium sind die Sorten Rivolt und Belcanto, die auch in den Inokulationsversuchen der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft nur sehr geringe bis unterdurchschnittliche DON-Gehalte erreichten. Darüber hinaus scheint die Sorte Lumaco nach aktuellem Stand des Wissens überdurchschnittlich resistent gegenüber Ährenfusarium.

Winterroggen

Roggen wird sowohl als Brotgetreide als auch als Futtermittel angebaut und entsprechend vermarktet. Abhängig von der Verwertung resultieren daraus unterschiedliche Qualitätsanforderungen. An erster Stelle gefordert ist ein Hektolitergewicht von > 72 kg für Brotroggen und > 70 kg für Futterroggen. Dieses wird abhängig von der Bestandsentwicklung und dem Witterungsverlauf nicht immer zuverlässig erreicht. Der Anbau von Sorten mit einem genetisch höheren Hektolitergewicht (z.B. KWS Tayo, SU Perspectiv, SU Karlsson) kann dazu beitragen, eine abzugsfreie Vermarktung der Ernte zu garantieren.

Bei der Vermarktung als Brotgetreide wird darüber hinaus eine Fallzahl von > 120 s gefordert, die unter günstigen Vorerntebedingungen auch relativ zuverlässig erreicht wird. Aufgrund der verzögerten Ernte konnte in den diesjährigen Landessortenversuchen in Nordrhein-Westfalen allerdings nur die Sorte KWS Tayo am Standort Haus Düsse (Ostinghausen) dieser Mindestanforderung entsprechen. Ursache für die insgesamt sehr geringen Qualitäten in den Versuchen und in der Praxis war vor allem starker Auswuchs, der besonders in lagernden Beständen auftrat. Unterschiede in der Bewertung der Fallzahl zwischen der Beschreibenden Sortenliste und den Bonituren in den Landessortenversuchen resultieren daher wahrscheinlich auch aus der verschiedenen Standfestigkeit und Strohstabilität der Sorten. Die geringste Auswuchsneigung und höchste Fallzahlstabilität zeigte die bereits genannte Sorte KWS Tayo. SU Perspectiv und SU Karlsson präsentierten sich als durchschnittlich auswuchsfest. Deutlich stärkerer Auswuchs wurde in den weniger standfesten Sorten SU Performer und KWS Serafino bonitiert.

Roggen ist durchschnittlich das proteinschwächste Getreide. Bei einer geplanten Futternutzung können Sorten mit einem höheren Proteingehalt daher dazu beitragen, die Futterration effektiv zu gestalten. Möglicherweise aufgrund der verschiedenen Zuchtprogramme präsentierten sich in den Landessortenversuchen die Sorten SU Performer, SU Perspectiv und SU Karlsson als deutlich proteinreicher als die Sorten KWS Eterno, KWS Serafino, KWS Tayo und KWS Tutor.

Mutterkorn trat diesjährig nur selten und meist aufgrund von Zwiewuchs infolge von späten Überfahrten oder wechselnder Wasserversorgung auf. Allerdings wird für Konsumroggen ab der Ernte 2024 der Grenzwert für Mutterkornsklerotien im Erntegut von aktuell 0,05% auf 0,02% herabgesetzt. Da zugleich auch die Grenzwerte für Ergotalkaloide in verarbeiteten Getreideprodukten abgesenkt wurden, dürfte dies zu einer deutlich höheren Sensibilität des Handels im Hinblick auf Mutterkorn führen. Das Risiko nicht als Brotroggen vermarktungsfähige Ware zu produzieren lässt sich durch eine gezielte Sortenwahl reduzieren. Ausgehend von der aktuellen Beschreibenden Sortenliste und einzelnen Bonituren sind die Sorten KWS Tayo und KWS Eterno durchschnittlich anfällig gegenüber Mutterkorn. Als relativ mutterkornresistent lassen sich die Sorten KWS Serafino und KWS Tutor einschätzen, die allerdings eine insgesamt geringere Sortenleistung erreichen. SU Performer wird aufgrund der sehr hohen Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn nicht mehr für den Anbau empfohlen. Die neue Sorte SU Karlsson hingegen lässt eine zumindest leicht überdurchschnittliche Mutterkornresistenz erwarten, die allerdings teilweise aus der Beimischung von 10% Populationsroggen im Praxissaatgut resultiert.

Autor: Johannes Roeb