Landessortenversuche Sommerfuttergerste 2023

Sommergerste in BerlingsenBild vergrößern
Sommergerste im Landessortenversuch in Berlingsen

Sommergerste wurde in Nordrhein-Westfalen zur Ernte 2023 auf etwa 6.700 ha angebaut. Davon entfallen geschätzt etwa 75% auf den Anbau als Futtergerste. Der erneute Rückgang der Anbaufläche lässt sich sowohl auf die im vergangenen Frühling witterungsbedingt späte Möglichkeit der Aussaat als auch auf gefallene Marktpreise und neue förder- sowie ordnungsrechtliche Vorgaben zurückführen.

Sommergerste verzeiht viel, aber nicht alles

Sommergerste reagiert auf eine verspätete Aussaat insgesamt weniger empfindlich als Sommerweizen oder -hafer. Dennoch wirkte sich der Witterungsverlauf der vergangenen Saison auch auf die Sommergerste negativ aus: Die infolge des nassen Winters und Frühlings späte Aussaat, kombiniert mit den Trocken- und Hitzephasen im Mai und Juni führte zu einer deutlich reduzierten Gesamtvegetationszeit. Die späteren Niederschläge begünstigten zwar die Wasserversorgung zur Kornfüllung, verringerten aber zugleich die Anzahl der photosynthetisch nutzbaren Sonnenstunden. Bei angepassten Saatdichten und aufgrund des relativ guten Bestockungsvermögens fielen die Erträge der Sommergerste zur Ernte 2023 zwar geringer aus als in den Vorjahren und besonders im Vergleich zur Ernte 2022, lagen aber über denen von Sommerweizen oder -hafer. Die durchschnittlich höheren Temperaturen begünstigten den Befall mit Netzflecken und Getreidehähnchen, insgesamt blieben der Krankheits- und Schädlingsdruck aber relativ gering. Die ab der Jahresmitte anhaltenden Niederschlagsphasen allerdings führten in vielen Beständen zu Zwiewuchs. Dieser bewirkte, gemeinsam mit der verzögerten Ernte und daraus resultierendem Auswuchs, dass im Vergleich zu den Vorjahren überwiegend nur schlechte Qualitäten geerntet werden konnten. Bei ohnehin geringeren Marktpreisen ließen sich viele Partien nur mit Abschlägen vermarkten. Insgesamt präsentierte sich die Sommergerste aber auch in der Saison 2023 als im Vergleich zu den anderen Sommergetreidearten relativ anbauflexibel und ertragsstabil.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2023

Aufgrund des Landwirtschaftskammer NRW Feldtag 2023 auf Haus Düsse wurden in Nordrhein-Westfalen in der vergangenen Saison insgesamt 3 Landessortenversuche mit Sommerfuttergerste angelegt. Geprüft wurden dabei 5 Sorten, allerdings keine Neuzulassung. Die Aussaat erfolgte am 14. April mit 280 keimfähigen Körnern/m² (Blomberg-Siebenhöfen) und am 19. April mit 320 keimfähigen Körnern/m² (Haus Düsse, Möhnesee-Berlingsen). Die sich entwickelnden Bestände erreichten durchschnittlich 650-660 Ähren/m². Auch die durchschnittliche Kornzahl/Ähre und Tausendkornmasse blieben hinter den Werten des Vorjahres zurück. Die daraus resultierenden Erträge lagen bei 53,4 dt/ha auf Haus Düsse, 59,1 dt/ha in Möhnesee-Berlingsen und 44,4 dt/ha in Blomberg-Siebenhöfen. Bei reduziertem Pflanzenschutzeinsatz traten in den südwestfälischen Versuchen durchschnittliche Ertragsverluste von 7-10% auf, die sich überwiegend auf den Befall mit Netzflecken und Zwergrost zurückführen ließen. Am ostwestfälischen Standort Blomberg-Siebenhöfen war der Befallsdruck insgesamt geringer und der zusätzliche Einsatz von Fungiziden und Wachstumsreglern brachte keinen Ertragsvorteil. Die spätere Aussaat und die in der Abreife anhaltenden Niederschläge führten dazu, dass die Ernte erst in der zweiten Augusthälfte erfolgen konnte. Die durchschnittlich erzielten Hektolitergewichte lagen bei 52,8-60,0 kg. Aufgrund von hohen Grenzdifferenzen und Problemen mit Zwiewuchs ließen sich für die länderübergreifende Auswertung darüber hinaus nur noch die Landessortenversuche in Otterham (Niedersachsen) und Kastorf (Schleswig-Holstein) nutzen. Die mehrjährigen Ergebnisse gewinnen damit zusätzlich an Bedeutung.

Sortenempfehlungen

Beim geplanten Anbau als Sommerfuttergerste sind das Ertragspotential und die Ertragsstabilität die wichtigsten Sorteneigenschaften. Darüber hinaus können eine gute Standfestigkeit und Strohstabilität sowie eine geringe Anfälligkeit gegenüber Krankheiten dazu beitragen, den Anbauerfolg zu optimieren. Sorten mit einem höheren Hektolitergewicht lassen sich zuverlässiger vermarkten. Aufgrund der aktuell hohen Braugerstenprämie könnte für einzelne Betriebe allerdings auch der Anbau als Sommerbraugerste interessant werden. Dieser setzt eine mit den Marktpartnern abgestimmte Sortenwahl voraus.

RGT Planet bleibt ausgehend von den angelegten Saatgutvermehrungsflächen die wichtigste Sorte für den Anbau als Sommerfuttergerste. Als älteste der aktuell geprüften Sorten erzielt sie nach wie vor durchschnittliche Erträge und hat sich darüber hinaus als relativ ertragsstabil erwiesen. RGT Planet ist etwas früher im Ährenschieben, im Vergleich zu den anderen geprüften Sorten aber weniger standfest und strohstabil sowie anfälliger gegenüber Blattkrankheiten. Das Hektolitergewicht ist durchschnittlich. RGT Planet wird international auch als Braugerste gehandelt, lässt sich aufgrund der fehlenden Verarbeitungsempfehlung des Berliner Programms allerdings schwieriger vermarkten als andere Sorten.

Kimberly erzielt durchschnittlich ähnliche Ertragsleistungen wie RGT Planet, ist im direkten Vergleich aber deutlich standfester, strohstabiler und weniger anfällig gegenüber Netzflecken und Zwergrost. Das Hektolitergewicht ist leicht unterdurchschnittlich bis durchschnittlich. Kimberly wird vor allem für den Anbau bei erhöhtem Lager- und Krankheitsdruck oder reduziertem Pflanzenschutzeinsatz empfohlen.

LG Belcanto erreicht mehrjährig leicht höhere Erträge, kann in der Saison 2023 in Nordrhein-Westfalen aber nur bedingt überzeugen. Die etwas spätere Abreife dürfte sich besonders in den Versuchen am Standort Blomberg-Siebenhöfen negativ auf den Ertrag ausgewirkt haben. LG Belcanto ist ausreichend standfest und strohstabil aber relativ anfällig für Blattkrankheiten. Die Saatgutverfügbarkeit ist begrenzt

Lexy erzielt im Vergleich zu den als Sommerfuttergerste empfohlenen Sorten etwas geringere Erträge, zählt als Braugerste aber zu den Hauptempfehlungen. Die Sorte ist ausreichend standfest und strohstabil und etwas weniger anfällig für Netzflecken. Das Hektolitergewicht ist leicht unterdurchschnittlich. Die für die Braugerstenvermarktung relevanten Sorteneigenschaften liegen auf einem guten Niveau. Lexy lässt sich damit gut begründet als „Zweinutzungssorte“ empfehlen. Bei einem geplanten Anbau als Braugerste ist auf eine geeignete Standortwahl und eine an das Produktionsziel angepasste Kulturführung zu achten. Darüber hinaus sollte bereits vor der Aussaat auch der Absatz der Ernte geklärt sein. Die hohen Saatgutvermehrungsflächen sind vor allem auf die Braugerstennachfrage zurückzuführen.

LG Rumba überzeugt auch im zweiten Prüfjahr mit hohen Erträgen im nordwestdeutschen Raum. Die Sorte ist ausreichend standfest und strohstabil sowie weniger anfällig gegenüber Zwergrost. Das etwas höhere Hektolitergewicht von LG Rumba begünstigt die Vermarktung zu Futterzwecken. Die Saatgutverfügbarkeit ist deutlich geringer im Vergleich zu RGT Planet oder Lexy.

Als weitere anerkannte Sommerbraugerstensorten sind insbesondere Leandra, Prospect und Amidala zu nennen. Diese erzielen allerdings deutlich geringere Erträge als die zur Futternutzung empfohlenen Sorten. Möglicherweise als Zweinutzungssorte interessant werden könnte die neue Sorte LG Caruso, die etwa das Ertragsniveau von Lexy erreicht und für die bereits größere Saatgutvermehrungsflächen angelegt wurden. Die Verarbeitungsempfehlung des Berliner Programms steht bisher aber noch aus.

Anbau als Sommerfuttergerste

Sommergerste ist im Vergleich zu anderen Sommergetreidearten relativ saatzeitflexibel. Der optimale Zeitraum für eine Aussaat in den Niederungslagen beginnt im März und verschiebt sich für die Mittel- und Höhenlagen um 1-2 Wochen nach hinten. Aufgrund der relativ schwachen Wurzelentwicklung ist ein optimales Saatbett wichtiger als ein möglichst früher Saattermin. Mit zunehmend späterer Aussaat sollte die Saatdichte von 270-300 keimfähigen Körnern/m² auf bis zu 330-360 keimfähige Körner/m² erhöht werden. Bei ungünstigen Aussaatbedingungen werden Aufschläge von bis zu 20% empfohlen. Ziel ist ein gleichmäßig entwickelter Bestand mit 600-800 Ähren/m². Bei überwiegend mineralischer Düngung hat sich eine Aufteilung der N-Gaben auf 2/3 zur Aussaat und 1/3 zum Ährenschieben bewährt. Die erste Gabe kann gemeinsam mit Kalium und Phosphat vor der Aussaat flach eingearbeitet werden, um die Nährstoffverfügbarkeit zu verbessern. Bei einer überwiegend organischen Düngung sollte diese möglichst vollständig zur Aussaat erfolgen. Schwefel, Mangan, Kupfer und Zink können als Spurennährstoffe das Wachstum begünstigen. Der erforderliche Pflanzenschutzeinsatz orientiert sich an den Sorteneigenschaften, der Bestandesentwicklung und dem tatsächlichen Befallsdruck. Unkräuter und Ungräser lassen sich zuverlässig mit Herbiziden bekämpfen. Der Einsatz von Wachstumsreglern sollte mit Bedacht erfolgen, da zu hohe Aufwandmengen zu Ertragsverlusten führen können. Gerste ist anfällig für zahlreiche Blattkrankheiten (Mehltau, Netzflecken, Rhynchosporium, Ramularia, Zwergrost), die aber nicht in jedem Jahr in gleichem Maße auftreten und daher eine gezielte Bekämpfung erfordern. Blattläuse und Getreidehähnchen befallen oft unterhalb der wirtschaftlichen Schadschwellen.

… oder als Sommerbraugerste?

Aktuell werden für Sommerbraugerste zur Ernte 2024 fast 10 €/dt mehr angeboten als für Futtergerste. Dies lässt auch den ein oder anderen Betrieb außerhalb der traditionellen Anbaugebiete für Braugerste über eine entsprechende Vermarktung nachdenken. Der erfolgreiche Anbau von Sommerbraugerste setzt zunächst eine geeignete Sortenwahl voraus, die mit den beteiligten Marktpartnern abgestimmt sein muss. Darüber hinaus gilt es die Standortwahl und die Kulturführung an die Qualitätskriterien für Braugerste anzupassen: Standorte mit einem hohen Stickstoffnachlieferungspotential sind nur begrenzt geeignet, da eine verspätete N-Aufnahme zu überhöhten Proteingehalten führen kann. Aus demselben Grund sollte auch die N-Düngung bevorzugt mineralisch und schwerpunktmäßig zur Aussaat erfolgen. Ziel ist es einen Proteingehalt von 9,5-11,5% zu erreichen. Darüber hinaus werden ein Vollgersteanteil von 90% und eine Keimfähigkeit von 95% gefordert. Abweichungen von diesen Qualitätsanforderungen führen zu deutlichen Preisabschlägen bis hin zur verweigerten Abnahme. Da selbst bei optimaler Anbauplanung und angepasster Kulturführung nach wie vor der Witterungsverlauf erheblichen Einfluss auf die Qualität nehmen kann, besteht gegenüber dem Anbau von Futtergerste ein höheres Vermarktungsrisiko, das besonderes Neueinsteigern bekannt sein sollte. Beispielhaft erreichte die Sorte Lexy in den südwestfälischen Landessortenversuchen für Sommerfuttergerste zur Ernte 2023 zwar annähernd die geforderten Proteingehalte (Haus Düsse: 11,5%, Möhnesee-Berlingsen: 11,7%). Der Vollgersteanteil und die Keimfähigkeit hätten witterungsbedingt aber vermutlich unter den Qualitätsanforderungen für Braugerste gelegen und eine entsprechende Vermarktung verhindert.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch